„Wie der König und das Volk über die Franzosen gesinnt waren, konnte dem General York nicht ungewiß sein; aber ob man in Berlin die Katastrophe, welche die Franzosen so eben erlebt hatten, für ein völliges Umschlagen der Waage und den Augenblick für günstig genug halten würde, um plötzlich die Rolle zu wechseln – darüber konnte der General York nur die größten Zweifel haben. Wenn er an die Verhältnisse in Berlin dachte, so mußte er den größten Widerwillen gegen einen plötzlichen Wechsel der Rolle voraussetzen. Scharnhorst, der entschiedenste Gegner der Franzosen und derjenige, welcher einen solchen Rat gegeben und aufs Äußerste unterstützt haben würde, war aus dem Ministerium entfernt und lebte in Schlesien. Baron Hardenberg hatte gezeigt, daß er geschickt zwischen Klippen zu steuern wisse; ob er aber einen recht hochherzigen Entschluß fassen und ihn auch in Anderen hervorbringen könne, daran mußte man sehr zweifeln. Wenn also jetzt der General York für sich, auf seine Gefahr einen Entschluß faßte, der die preußische Politik in eine entgegengesetzte Richtung mit fortreißen sollte, so war dies eine der kühnsten Handlungen, die in der Geschichte vorgekommen sind.“ (Carl von Clausewitz)
Dieses Urteil unseres Kriegsphilosophen über unseren preußischen Staatskanzler Karl August von Hardenberg kann man wohl beipflichten, aber nachdem der Entschluß zur Schilderhebung einmal gefaßt war, gelang es ihm ein Bündnis mit Österreich zustande zu bringen, Napoleon zu stürzen und auf dem Wiener Kongreß das Rheinland zu erwerben. Der deutsche Bund ist wohl als Kompromiß anzusehen. Da sich die Häuser Lothringen und Hohenzollern nicht auf eine Kaiserwahl einigen können, jedoch kann man ihn im Vergleich zur verfallenen Reichsverfassung des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts als Fortschritt betrachten. Geburtstag hat unser Hardenberg heute und so wollen wir Panzertiere seiner ein wenig gedenken. Im Sachsenland zu Essenrode erblickte der Sohn des Freiherrn Ludwig von Hardenberg und der Ehrengart von Bülow das Licht der Welt. Nach seinem Studium der Rechtslehre in Leipzig und Göttingen trat er 1770 in den Hannoveranischen Staatsdienst. Über Braunschweig und Ansbach kam er schließlich nach Berlin, wo er sich vornehmlich der Außenpolitik widmete. Der gallische Wüterich Napoleon war sein Freund nicht und erzwang mehrfach seinen Rücktritt, stimmte aber 1810 zu daß unser Hardenberg die Nachfolge unseres Freiherrn vom Stein antrat. Nach dem glücklichen Abschluß unserer deutschen Befreiungskriege wollte er in Preußen noch eine landständische Verfassung einführen, aber noch bevor er Friedrich Wilhelm den Dritten zur Annahme derselbigen bewegen konnte, riefen ihn die Nornen heim… Drei Mal heiratete unser Hardenberg, hatte aber nur von seiner ersten Frau Friederike von Reventlow die Tochter Lucie und den Sohn Christian. Die Rigaer Denkschrift unseres Hardenbergs aus dem Jahre 1807 zur Neuordnung des preußischen Staates lesen wir Panzertiere zur Feier des Tages vor. Zur Behandlung der deutschen Fürsten und der europäischen Mächte weiß unser Staatskanzler nun ein paar kluge Worte zu sagen: https://archive.org/details/denkwrdigkeite04harduoft
„X) Österreich hat gesäumt uns zu retten. Wir dürfen ihm dar über keine Vorwürfe machen, weil wir leider 1805 eben so und viel ärger handelten, die Erfüllung übernommener Verbindlichkeiten absichtlich verzögerten und dadurch ein Mißtrauen veranlaßten, welches offenbar dazu beigetragen hat, Österreich zurück zu halten. Aber es wäre auch unpolitisch, deshalb Mißvergnügen oder Mißtrauen zu zeigen. Preußens angelegentliche Sorge muß sein, sich unvermerkt immer mehr an Österreich anzuschließen und die Freundschaft und das Zutrauen dieses Staats zu gewinnen. Eine Vereinigung mit Österreich, England und den anderen minderen Mächten kann noch einmal Europa von der Sklaverei retten. XI) England hat uns auch nicht kräftig und zeitig geholfen. Wir sind aber größtenteils Schuld daran. Hätten wir die ersten günstigen Augenblicke benutzt, das Mißtrauen nicht lange durch ganz zweckwidriges Benehmen genährt, so wäre die Hilfe zu rechter Zeit da gewesen und die Sachen hätten vermutlich überhaupt eine ganz andere Wendung genommen. Englands Freundschaft zu bewahren, ist für Preußen von der äußersten Wichtigkeit, so lange die Verhältnisse seines Handels und seines Reichtums bleiben, wie sie jetzt sind. Es ist eine gefährliche Verblendung, der man sich leider auch in Rußland überläßt, daß uns das englische Handelsmonopol schädlich sei. Ohne England können wir unsere Produkte nicht zu Geld machen. Der Handel mit England ist vorteilhaft für Preußen und Rußland. Je blühender er ist, je mehr Gewinn für uns. Überdies kann uns kein Staat Geldhilfe im Kriege gewähren, als England; Preußen kann es aber nicht wagen, sich mit England allein gegen das jetzt so mächtige Frankreich zu verbinden, da jenes auf dem festen Lande kräftige Hilfe durch Truppen zu leisten außer Stande ist. Es ist zu hoffen, daß England die abgedrungene Sperrung unserer Häfen dieses Mal nicht so ansehen werde, als 1806. Die Umstände sind ganz und gar verschieden. Alles muß angewendet werden, um den Eindruck zu mildern und die nachteiligen Folgen möglichst zu verhüten. XII) Schweden verdient wegen des Charakters seines Königs, wegen dessen letzten schönen Betragens, wegen Preußens, obwohl gezwungenen, vertragswidrigen Benehmens gegen denselben und endlich wegen der tätigen Hülse, die von daher, vereint mit Anderen, geleistet werden kann, große Rücksicht, und es ist ratsam, das beste Vernehmen mit solchem zu erhalten. XIII) Die Lage Dänemarks hat diesem Staat bis jetzt erlaubt, sich aus dem großen Kampf heraus zu halten. Wie lange es ihm noch glücken werde, ist sehr zweifelhaft; die Umstände allein können das Benehmen gegen ihn bestimmen. Noch während der Ausarbeitung dieses Aussatzes wurde es gezwungen, aus der Neutralität herauszutreten, und es bestätigte sich, wie mißlich das Neutralitätssystem sei, dessen zu lange Befolgung nun auch für Dänemark die schlimmsten Folgen haben kann. XIV) Sachsen wird für Preußen äußerst wichtig. Es wäre meines Erachtens äußerst unpolitisch, Sachsen Rache und Mißfallen zu zeigen, weil es an der Beraubung Preußens Teil nahm. Man nehme es, als ob es ganz wider seinen Willen dazu gezwungen sei, suche vielmehr seine Freundschaft und ein vertrauliches Vernehmen mit ihm. Vereint mit Sachsen können wir viel ausrichten, wenigstens viel Böses verhüten; vereint mit Sachsen und Österreich noch weit mehr. Und was kann sich nicht an eine solche Vereinigung einmal für Freiheit und Unabhängigkeit anschließen? Kurz man zeige Sachsen, daß man gern verschmerze, was dieses uns abnahm, und knüpfe die Bande mit solchem wo möglich recht fest. Große Klugheit und Vorsicht ist hierbei nötig, besonders wegen Napoleon. Sehr wichtig, einen recht tüchtigen Gesandten in Dresden zu haben. Eine Vermählung des Prinzen Heinrich K. H. Mit der Tochter und Allodialerbin des Königs könnte sehr günstige und wichtige politische Folgen haben. XV) Bayern hat es verdient, gleichgültig und mit Kälte behandelt zu werden. Man zeige ihm aber keinen Haß. Die Umstände können sich ändern und wir finden dort einen Freund. Nur diese müssen das Benehmen angeben. – Unterdessen suche es uns! XVI) Die übrigen deutschen Fürsten des französischen Systems sind eben so zu behandeln. XVII) Dagegen zeige man denen, die es mit Preußen hielten, oder doch nicht gegen dasselbe fochten, Teilnahme und helfe ihnen, wo man kann. XVIII) Allen Untertanen deutscher Fürsten ohne Ausnahme, auch denen, welche solchen angehören, die zur französischen Fahne schwuren, zeige man Bereitwilligkeit ihnen zu nützen und erwerbe Preußen Liebe, Achtung und Vertrauen, wo es immer möglich ist. XIX) In die Händel der Türkei mische man sich jetzt überall nicht, sondern suche vielmehr, sich aus aller Konnexion damit möglichst herauszuziehen. Bei den Plänen Frankreichs und Rußlands, bei dem entgegengesetzten Interesse der anderen großen Mächte kann jede Teilnahme Preußen nur kompromittieren und gefährliche Verwickelungen für dasselbe hervorbringen. XX) Mit Spanien in gutem Vernehmen zu stehen, ist teils wegen des Handels, teils wegen möglicher Hülse, welche daher einst zu erwarten sein könnte, nicht unwichtig. Portugal kann für Preußen wenig in Betracht kommen. XXI) Holland, die italienischen Staaten, sind jetzt so gut als zu Frankreich gehörig. Ich übergehe also die Verhältnisse mit ihnen, nur möchte es in mancher Rücksicht nützlich sein, sich in Holland Konnexionen zu erhalten…“