Erasmus von Rotterdam

Ein Volk der Dichter und Denker sind wir Deutschen fürwahr und während unsere Dichter – als Barden – bereits in der Germania des Tacitus bezeugt sind, traten unsere Denker erst sehr viel später auf. Einer der ersten war unser Erasmus von Rotterdam, der 1466 in der besagten niederländischen Stadt geboren wurde. Seine Brötchen verdiente er als Kleriker und seine Schriften widmen sich auch vielfach klerikalen Dingen. Es gibt ungefähr 150 Bücher und 2000 Briefe von unserem Erasmus und so fehlt es uns Panzertieren nicht an Stoff zum vorlesen. Von einem Schiffbruch handelt eine der Plaudereien in den den „Gemeinsamen Gesprächen“ unseres Erasmus: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10576099

„Antonius.

Schreckbares erzählst du da. Das heißt man also eine Schiffahrt? Gott behüte mich, daß mir je so etwas in den Sinn komme.

Adolphus.

Ach, das was ich bis jetzt erzählt habe, ist ja nur ein Spaß im Vergleich zu dem, was du noch zu hören bekommen wirst.

Antonius.

Ich hab‘ schon mehr als genug Unglück gehört. Mich schaudert, wie du da erzählst, als wär‘ ich selber dabei gewesen.

Adolphus.

Für mich heißt’s: Ende gut, alles gut. In jener Nacht trug sich etwas zu, was dem Steuermann ein gut Teil der Hoffnung auf Rettung benahm.

Antonius.

Was denn?

Adolphus.

Die Nacht war ziemlich hell. Zuoberst im Mastbaum stand einer von den Schiffsleuten im sogenannten Mastkorb, der Auslug hielt, ob er irgendwo Land erblicke; dieser nun sah sich zur Seite auf einmal eine feurige Kugel, was den Schiffern als schlimme Vorbedeutung gilt, wenn es als einzelnes Feuer auftritt, als glückliche, wenn es sich um ein Zwillingslicht handelt. Die Alten deuteten dieses als Kastor und Pollux.

Antonius.

Was haben denn diese zwei mit den Schiffern zu tun? war doch der eine ein Reiter, der andere ein Faustkämpfer.

Adolphus. So wollten es nun einmal die Dichter. Der Schiffsmann, der am Steuer saß, sagte: Kamerad – denn so nennen sich gegenseitig die Schiffsleute – siehst du, was für einen Gefährten du zur Seite hast? Ich seh’s, antwortete dieser, und bete, er möge uns glückverheißend sein. Bald darauf senkte sich die feurige Kugel durch die Schiffstaue herab und wälzte sich bis zum Steuermann hin.

Antonius.

Ist der nicht vor Angst leblos geworden?

Adolphus. Die Schiffer sind an dergleichen Wundererscheinungen gewöhnt. Die Kugel blieb dann ein Weilchen dort liegen, fuhr dann weiter an den Rändern des ganzen Schiffes und mitten über das Verdeck hin und verschwand hierauf. Um Mittag begann der Sturm immer stärker zu toben. Hast du je die Alpen gesehen?

Antonius.

Jawohl.

Adolphus.

Nun also: jene Berge sind Warzen im Vergleich zu den Wellen des Meeres. Wurden wir in die Höhe gehoben, so hätte man mit dem Finger den Mond berühren können; ging’s aber in die Tiefe, so hätte man meinen mögen, die Erde tue sich auf und man fahre geradeswegs in die Unterwelt.

Antonius.

Die Toren, die sich dem Meere anvertrauen!

Adolphus.

Als die Schiffer vergebens gegen den Sturm ankämpften, trat der Steuermann ganz bleich zu uns.

Antonius.

Sein bleiches Aussehen bedeutete sicherlich ein großes Unglück?

Adolphus.

Freunde, sagte er, ich bin nicht mehr der Herr meines Fahrzeugs; die Winde sind Sieger geworden; jetzt bleibt nur noch die Hoffnung auf Gott; jeder mag sich auf das Schlimmste gefaßt machen.

Antonius.

Ein böses Wort. Adolphus. In erster Linie aber, fuhr er fort, gilt es, das Schiff zu entlasten; so will’s die harte Notwendigkeit; es ist besser mit Hintanlassung von Hab und Gut für das Leben zu sorgen, als mit ihnen zugleich unterzugehen. – Die Wahrheit dieser Worte überzeugte uns: die meisten Kisten voll kostbaren Guts wurden ins Meer geworfen.

Antonius.

Das nennt man einen schlechten Wurf tun.

Adolphus.

Es war ein Italiener da, der Gesandter beim König von Schottland gewesen war; dieser hatte eine Kiste bei sich voll von Silbergeschirr, Ringen, Tuch und seidenen Kleidern.

Antonius.

Der wollte wohl nicht mit dem Meer paktieren?

Adolphus.

Nein, sondern er wünschte, entweder mit seinen lieben Schätzen unterzugehen, oder mit ihnen gerettet zu werden. Er leistete daher Widerstand.

Antonius.

Was meinte der Schiffsherr dazu?

Adolphus.

Meinetwegen, sagte er, könntet Ihr mit Eurer Habe allein untergehen; aber es wäre unbillig, sollten wir alle wegen Eurer Kiste Gefahr laufen. So wollen wir Euch denn zusammen mit Eurer Habe ins Meer werfen.

Antonius.

Das nennt man eine Schifferrede.

Adolphus.

So mußte denn auch der Italiener auf seine Habe verzichten, wobei er den Überirdischen und Unterirdischen fluchte, daß er sein Leben einem so barbarischen Element anvertraut hatte.

Antonius.

An dem Wort barbarisch erkenn‘ ich den Italiener.

Adolphus.

Bald darauf, da die Winde durch unsere Geschenke sich nicht milder hatten stimmen lassen, rissen die Taue und zerschlissen die Segel. Da trat der Schiffsmann wieder zu uns heran.

Antonius.

Um eine Ansprache zu halten?

Adolphus.

Er begrüßte uns: Freunde, sagte er, die Stunde mahnt, daß ein jeder sich Gott anbefehle und sich auf den Tod vorbereite. Von einigen, die sich auf die Schiffahrt etwas verstanden, befragt, auf wieviel Stunden er glaube das Schiff noch halten zu können, meinte er, er könne nichts versprechen; aber mehr als drei Stunden jedenfalls nicht.

Antonius.

Diese Rede war noch grausamer als die frühere.

Adolphus.

Als er das gesagt hatte, ließ er alle Taue zerhauen und den Mastbaum bis auf das Unterlager, in das er eingefügt ist, durchsägen und samt den Segelstangen ins Meer werfen…“

Kaiser Heinrich der Dritte

Kaiser Heinrich der Dritte hat heute Geburtstag und ich will hoffen, daß man den alten Salier noch ein wenig kennt (oder durch unsere kleine Geburtstagsgedenkfeier wieder etwas kennenlernt). Der Sohn Kaiser Konrads des Zweiten und der Gisela von Schwaben kam 1017 zur Welt und folgte seinem Vater im Jahre 1039 nach. Bis 1056 saß er auf dem deutschen Thron. So wie viele unserer alten Kaiser und Könige mußte auch unser Heinrich der Dritte immer mal wieder in Italien für Ordnung sorgen. Umso mehr, weil sein Feind Herzog Gottfried von Lothringen dort die reiche Witwe Beatrix von Tuszien geheiratet hatte und schweres Unheil zu befürchten war (- wie uns unser Geschichtsschreiber Lampert von Hersfeld berichtet): https://archive.org/details/diejahrbcherdes00wattgoog

„MLV beging Kaiser Heinrich die Geburt des Herrn zu Goslar, und reiste sogleich, als die Festtage beendigt waren, nach Italien, wohin ihn eine Gesandtschaft der Römer berief, welche ihm meldete, daß in Italien der Reichtum und die Macht des Herzogs Gottfried gegen das Gemeinwohl allzu sehr anwachse, und wenn diesem verwirrten Zustande nicht zeitig abgeholfen würde, so werde er in kurzem, mit Verleugnung aller Scham, des Reiches selbst sich bemächtigen. Als aber der Kaiser in Italien anlangte, schickte der Herzog Gottfried ihm Botschaft entgegen und ließ ihm sagen, daß er an nichts weniger als an Empörung denke; er sei vielmehr bereit, für die Aufrechthaltung des Staates und das Wohl des Kaisers alles, auch das Äußerste zu erdulden; er erkenne es dankbar an, daß er, aus den Grenzen der Heimat verbannt und aus den Besitzungen seiner Väter vertrieben, doch durch die Besitzungen seiner Gemahlin in der Fremde Unterhalt finde. Mit dieser seiner Gemahlin habe er sich weder durch List noch durch gewaltsame Entführung, sondern nach ihrem eigenen Gefallen und durch eine feierlich begangene Vermählung ehelich verbunden. Auch Beatrix verbarg ihre Furcht, ging dem Kaiser entgegen und nachdem ihr nur mit Mühe das Wort verstattet war, erklärte sie, daß sie nichts getan, als was ihr nach dem Völkerrechte zu tun erlaubt gewesen sei; ihres ersten Gatten beraubt, habe sie dem verödeten Hause einen Beschützer zu gewinnen gesucht, und als Freie einem freien Mann, nicht zur Beschönigung irgend eines frevelhaften Unternehmens, die Hand gereicht. Der Kaiser vergesse ganz des Rechts und der Billigkeit, wenn ihr nicht vergönnt sein sollte, ohne seine Gnade zu verlieren das zu tun, was von jeher im römischen Reiche Frauen von edler Geburt vergönnt gewesen sei. Darauf sprach der Kaiser, nachdem er das Gutachten seiner Fürsten vernommen hatte, den Herzog Gottfried von der Anklage frei, nicht sowohl weil seine Rechtfertigung ihn befriedigte, als in der Besorgnis, er möchte, durch neue Unbilden erbittert, sich den Normannen, welche Italien befehdeten, zum Heerführer auswerfen, und sein neuestes Auftreten schlimmer werden als das frühere; doch führte er die Beatrix, wie einen Feind, der sich ihm ergeben habe, mit sich weg, indem er ihr als ihr Vergehen vorwarf, daß sie durch ihre ohne seinen Rat geschlossene Vermählung Italien an einen offenbaren Feind verraten habe. Hierauf weilte er ein ganzes Jahr in Italien, und ordnete alles gar herrlich nach Ort und Zeit, wie es die Umstände zum Besten des Staates zu fordern schienen.“

Der Handtuchstreit in Italien ist also uralt…

Feldmarschall August Neidhardt von Gneisenau

August Neidhardt von Gneisenau hat heute Geburtstag und das feiern wir Deutschen natürlich mit unserem Panzergetränk Met. Im sächsischen Schildau wurde unser Gneisenau 1760 geboren und befand sich seit 1785 im preußischen Dienst. Neben seinem Wirken als Generalstabschef Blüchers in den Befreiungskriegen gegen Napoleons und als Verteidiger der Festung Kolberg gegen die Gallier trat unser Gneisenau vor allem als preußischer Heeresreformer in Erscheinung. Unser Clausewitz sagt uns nun, was es mit der preußischen Heeresreform in groben Zügen so auf sich hat:

„Der Tilsiter Friede vollendete die Übel, indem er der Größe der Armee schimpfliche Grenzen setzte. Sie durfte nicht stärker als 42,000 Mann sein, deren Waffenverhältnisse untereinander sogar vom Feinde vorgeschrieben waren. So war also binnen Jahresfrist der glänzende Militärstaat Preußen, an welchem alle Militär- und Kriegsfreunde sich geweidet hatten, verschwunden; an die Stelle der Bewunderung waren Tadel und Vorwürfe, an die Stelle der Huldigung oft Demütigung getreten. Der Geist der Armee war eine niederdrückende Traurigkeit. Kein wohltuender Blick in die Vergangenheit war möglich, keine Hoffnung für die Zukunft war vorhanden und auch das letzte, woran sich ihr Mut hätte aufrichten können, das Vertrauen zu einzelnen Führern, fehlte ganz; denn keiner hatte in dem kurzen Kriege sich bis zu einer eminenten Stelle erheben können, und die wenigen, welche sich ausgezeichnet hatten, teilten die Stimmen ganz verschiedener Parteien. Bei diesem unterdrückten Geist der Armee, bei dem gesunkenen Wohlstand des Staates, den zerrütteten Finanzen, bei der gebieterischen Einschränkung von außen her und einer Partei von Mutlosen im Innern, die sich allen energischen Maßregeln widersetzte, war es sehr schwer, die Zwecke zu erreichen, welche man sich vorsetzte. Die Armee sollte von neuem eingerichtet, ihr Mut sollte belebt, ihr Geist gehoben, alte Mißbräuche sollten ausgerottet und neben der Erzeugung und Ausbildung bis zu der im Traktat bestimmten Stärke sollte die Basis zu einer neueren, größeren Militärmacht gelegt werden, die einstens im entscheidenden Augenblick plötzlich emporsteigen sollte. Nach dieser Idee wurde in den wenigen Jahren des Friedens von 1808 bis 1811 unermüdlich gearbeitet. Die Armee sollte nach dem Traktat mit Frankreich stark sein: 24,000 Mann Infanterie, 6,000 Mann Kavallerie, 6,000 Mann Artillerie, 6,000 Mann Garde, Summa: 42,000 Mann. Es wurden diese in 6 Korps von allen Waffen geteilt, die man Brigaden nannte und jeder zu 6-7,000 Mann Stärke gab. Außerdem wurde der ganze Militärstand in drei Gouvernements – Preußen, Schlesien und die Mark mit Pommern – eingeteilt. Die Ergänzung der Armee bis auf 42,000 Mann hatte natürlich die wenigsten Schwierigkeiten. Die neue Form, in welche sie gebracht, und vorzüglich der neue Geist, welcher ihr eingeflößt werden sollte, hatten mit tausend Vorurteilen, mit dem üblen Willen und dem Interesse der einzelnen, mit Unbehilflichkeit, mit Trägheit und Gewohnheit zu kämpfen. Trotz diesen Hindernissen schritt man glücklich fort. Im Jahre 1809 hatte die Armee eine neue vollendete Verfassung, eine neue Gesetzgebung und neue Übungen, und man kann sagen, einen neuen Geist, der sie belebte. Sie war dem Volke näher gebracht, und man durfte hoffen, sie als eine Schule zur kriegerischen Ausbildung und Erziehung des Nationalgeistes zu betrachten. Ebenso glücklich wurden nach und nach die Schwierigkeiten überwunden, die sich dem erweiterten Fundamentalbau der ganzen Kriegsmacht Preußens entgegenstellten. Es wäre hier zu weitläufig, diese Schwierigkeiten weiter zu entwickeln oder alle die Mittel aufzuzählen, welche ergriffen wurden. Wir müssen uns begnügen zu sagen, daß hier nur ein unermüdliches Streben in Anwendung kleiner, unscheinbarer Mittel so, wie die Verhältnisse sie erlaubten, zum Zweck führen konnte. Die Hauptgegenstände waren: Um die Armee schnell vermehren zu können: das beständige Ausexerzieren von Rekruten, welche hierauf wieder entlassen wurden. Hierdurch stieg die Masse der ausgearbeiteten Leute im preußischen Staate binnen drei Jahren auf 150,000 Mann. Die Fabrikation der nötigen Gewehre. Es wurden Reparaturwerkstätten angelegt, die vorhandene Berliner Fabrik auf die Fertigung von 1,000 Stück neuen monatlich gebracht, eine neue Fabrik zu Neiße angelegt, und außerdem aus dem Österreichischen eine beträchtliche Menge eingekauft. Die Summe der Gewehre stieg dadurch in drei Jahren weit über 150,000. Fast die sämtliche Feldartillerie war verlorengegangen. Sie wurde aus den noch erhaltenen acht Festungen wiederhergestellt. Es befanden sich in diesen eine große Menge metallener Geschütze, welche umgegossen und durch eiserne ersetzt werden mußten. Die Werkstätte zu diesen Operationen sowie die Munitionsgießereien hatten neu etabliert werden müssen. In drei Jahren erhielt die Armee eine zahlreiche Feldartillerie für 120,000 Mann. Endlich mußten die acht Festungen von neuem instand gesetzt, versorgt und armiert werden. Diese Festungen waren als die Grundpfeiler der preußischen Monarchie zu betrachten, da die kleine Oberfläche derselben leicht so mit Feinden überschwemmt werden konnte, daß die Festungen allein wie Felsen im Meer von der Flut nicht mit fortgerissen wurden. Es kam also darauf an, mit diesen Festungen soviel als möglich von den Kriegskräften Preußens vor der Überschwemmung zu retten. Deshalb wurden bei Pillau und Kolberg, weil sie am Meer liegen, verschanzte Lager angelegt und in Schlesien, außer den weitläufigen Linien von Neiße, auch noch bei Glatz ein verschanztes Lager zur Aufnahme von Truppen und Streitmitteln bestimmt. In diesen vier Zufluchtsörtern Kolberg, Pillau, Neiße und Glatz sollten die noch unausgebildeten Streitmittel, sowohl an Menschen als Waffen und anderen Materialien, versammelt werden, um sie dem Feinde zu entziehen und im Falle der Not mitten im Kriege auszubilden. Auch diese Lager waren im Jahre 1812 vollendet. Jenes unermüdliche Streben und eine weise Ökonomie in Anwendung der noch vorhandenen, vorher kaum gekannten Hilfsmittel hatte also in vier Jahren die preußische Armee, welche nur 42,000 Mann stark war, so basiert, daß sie in wenig Monaten auf die Stärke von 120–150,000 gebracht werden konnte. Junge, kräftige, ihrer Fächer kundige Männer standen an der Spitze der verschiedenen Abteilungen. Die verderblichen Forderungen einer genauen Anciennität waren eingeschränkt, der tüchtige Mann, der, welcher sich im Kriege ausgezeichnet oder dem Staate viele Opfer gebracht hatte, war hervorgezogen und dem Ganzen nach und nach Liebe zu seiner neuen Verfassung und neues Vertrauen auf sich selbst, auf seinen inneren Wert gegeben worden. An diese neue Schöpfung schloß sich zur Vollendung des ganzen Kriegsstaats die Idee einer Landesverteidigung durch Landwehr und Landsturm an. Durch die erstere konnte die Armee selbst im Augenblick des Krieges vielleicht auf das Doppelte gebracht werden, wodurch die Verteidigung des kleinen Staates allein eine gewisse Selbständigkeit erhalten konnte…“

Selbst kommt unser Geburtstagskind natürlich auch bei seinem Wiegenfest zu Wort und so berichtet uns unser Geneisenau von der Schlacht bei Belle-Alliance:

„Es war bald fünf Uhr nachnittags. Das sehr schwierige Defilee von Sankt Lambert hatte den Marsch der preußischen Kolonnen beträchtlich aufgehalten, so daß vom IV. Armeekorps erst zwei Brigaden in ihrer verdeckten Aufstellung angekommen waren. Den Augenblick der Entscheidung war eingetreten und keine Zeit zu verlieren. Die preußischen Feldherren ließen den Augenblick der Entscheidung war eingetreten und keine Zeit zu verlieren. Die preußischen Feldherren ließen den Augenblick nicht entschlüpfen; sie beschlossen ungesäumt den Angriff mit dem, was zur Hand war, und so brach General Bülow mit zwei Brigaden und einem Korps Kavallerie plötzlich vor, gerade im Rücken des feindlichen rechten Flügels. Der Feind verlor die Besonnenheit nicht. Er wandte auf der Stelle seine Reserven gegen uns, und es begann ein mörderischer Kampf. Das Gefecht stand lange Zeit und ward mit gleicher Heftigkeit gegen die Engländer fortgesetzt. Ungefähr um sechs Uhr abends traf die Nachricht ein, daß General Thielmann mit dem III. Armeekorps bei Wavre von einem beträchtlichen feindlichen Korps angegriffen sei und daß man sich bereits um den Besitz der Stadt schlage. Der Feldmarschall ließ sich jedoch hierdurch nicht erschüttern; vor ihm lag die Entscheidung des Tages und nicht anderswo; nur ein gleich heftiger, mit immer frischen Truppen fortgesetzter Kampf konnte den Sieg gewinnen, und wenn hier der Sieg gewonnen ward, so ließ sich jeder Nachteil bei Wavre leicht verschmerzen. Daher blieben alle Kolonnen in Marsch. Es war halb acht Uhr, und noch stand die Schlacht; das ganze vierte Armeekorps und ein Teil des zweiten unter dem General Pirch war nach und nach angekommen. Die Franzosen fochten wie Verzweifelte; allmählich bemerkte man jedoch schon Unsicherheit in ihren Bewegungen und sah, wie mehreres Geschütz schon abgefahren ward. In diesem Augenblicke erschienen die ersten Kolonnen vom Armeekorps des Generals Zieten auf ihrem Angriffspunkte beim Dorfe Smouhen in des Feindes rechter Flanke und schritten auch sogleich frisch ans Werk. Jetzt war’s um den Feind geschehen. Von drei Seiten ward sein rechter Flügel bestürmt; er wich; im Sturmschritt und unter Trommelschlag ging’s von allen Seiten auf ihn ein, indem sich zugleich die ganze britische Linie in Bewegung setzte. Einen besonders schönen Anblick gewährte die Angriffsseite des preußischen Heeres. Das Terrain war hier terrassenartig gebildet, so daß mehrere Stufen Geschützfeuer übereinander entwickelt werden konnten, zwischen denen die Truppen brigadenweise in der schönsten Ordnung in die Ebene hinabstiegen, während sich aus dem hinten auf der Höhe liegenden Walde immer neue Massen entfalteten. Mit dem Rückzug des Feindes ging es noch so lange erträglich, bis das Dorf Plancenoit in seinem Rücken, das die Garden verteidigten, nach mehreren abgeschlagenen Angriffen und vielem Blutvergießen endlich mit Sturm genommen war. Nun wurde aus dem Rückzuge eine Flucht, die bald das ganze französische Heer ergriff und immer wilder und wilder alles mit sich fortriß. Es war neuneinhalb Uhr. Der Feldmarschall versammelte jetzt die höheren Offiziere und befahl, daß der letzte Hauch von Mensch und Pferd zur Verfolgung aufgeboten werden sollte. Die Spitze der Armee beschleunigte ihre Schritte. Rastlos verfolgt, geriet das französische Heer bald in eine völlige Auflösung. Die Chaussee sah wie ein großer Schiffbruch aus. Sie war mit unzähligen Geschützen, Pulverwagen, Fahrzeugen, Gewehren und Trümmern aller Art wie besät; aus mehr als neun Biwaks wurden diejenigen, die sich einige Ruhe hatten gönnen wollen und keine so schnelle Verfolgung erwartet hatten, vertrieben; im einigen Dörfern versuchten sie zu widerstehen; doch sowie sie die Trommeln und Flügelhörner hörten, flohen sie oder warfen sich in die Häuser, wo sie niedergemacht oder gefangen wurden… Der ganze Marsch war ein stets Aufstöbern des Feindes in den Dörfern und Getreidefeldern. In Genappe hatte sich der Feind mit Kanonen, umgeworfenen Munitionswagen und Fahrzeugen verbarrikadiert; als wir uns näherten, hörten wir plötzlich ein Lärmen und Fahren im Orte und erhielten sogleich vom Eingange her ein starkes Gewehrfeuer; einige Kanonenschüsse, ein Hurra – und die Stadt war unser! … Im wildesten Durcheinander haben kaum 40,000 Mann als Rest der ganzen Armee, zum Teil ohne Gewehre, sich durch Charleroi gerettet mit nur 27 Geschützen seiner ganzen zahlreichen Artillerie. Bis weit hinter seine Festungen ist der Feind geflohen, den einzigen Schuß seiner Grenzen, die jetzt unaufhaltsam von unseren Armeen überschritten werden. Um drei Uhr nachmittags hatte Napoleon einen Kurier nach Paris vom Schlachtfelde mit der Nachricht abgefertigt, daß der Sieg nicht mehr zweifelhaft sei; einige Stunden später hatte er keine Armee mehr. Eine genaue Kenntnis des feindlichen Verlustes hat man noch nicht; es ist genug, wenn man weiß, daß zwei Drittel der feindlichen Armee erschlagen, verwundet und gefangen wurden, unter anderen die Generale Monton, Duhesme und Compans, und daß bis jetzt schon 300 Geschütze und über 500 Patronenwagen in unseren Händen sind… Im Mittelpunkt der französischen Stellung, ganz auf der Höhe, liegt eine Meierei, la Belle Alliance genannt; wie ein Fanal ist sie ringsumher sichtbar; dorthin war der Marsch aller preußischen Kolonnen gerichtet. Auf dieser Stelle befand sich Napoleon während der Schlacht; von hier aus gab er seine Befehle; von hier aus wollte er den Sieg erringen, und hier entschied sich seine Niederlage…“

Die Befreiung von Metz und die Aufgabe der gallischen Rheinarmee

Die Gallier in der Festung Metz haben am heutigen Tag 1870 die Waffen gestreckt. Damit fiel nicht nur diese wichtige Festung – eine alte deutsche Reichsstadt übrigens – in unsere Hände, sondern auch die gallische Rheinarmee. In den Schlachten von Colombey, Mars-la-Tour, Gravelotte und Noisseville wurden im Rahmen von deren Einschließung geschlagen. Die Belagerung von Metz selbst kostete uns Deutsche 5700 Mann, während wir dabei 200,000 Gallier gefangen nahmen und 56 Feldzeichen, 1490 Geschütze, 72 Mitrailleusen (ein Maschinengewehrvorläufer) und 260,000 Gewehre erbeutet haben. Eingebrockt hat den Galliern die Niederlage ihr Monty Bazaine, während unser Prinz Friedrich Karl von Preußen Metz belagert hat. Im Hintergrund wirkte unser Moltke der Ältere als Generalstabschef und hat uns in seiner Geschichte des Gallischen Krieges von 1870-71 auch einen Schlachtbericht geschrieben. Ich beginne mit dem Ende: https://archive.org/details/geschichtedesdeu00moltuoft

„Am 29. morgens wurden die preußischen Fahnen auf den großen Außenwerken von Metz aufgepflanzt. Um ein Uhr rückte die französische Besatzung in lautloser Stille und guter militärischer Haltung auf sechs Straßen aus dem Platz. An jeder stand ein preußisches Armeekorps zur Empfangnahme der Gefangenen, welche sogleich in vorbereitete und mit Vorräten versehene Biwaks abgeführt wurden. Die Offiziere durften den Degen behalten und einstweilen nach Metz zurückkehren, wohin nun auch alsbald Lebensmittel geschafft wurden. Marschall Bazaine reiste nach Cassel ab. Noch im Laufe des Tages rückte die XXVI. Brigade in Metz ein. In der Stadt bemerkte man keine Zerstörungen, aber der Zustand der Lager zeugte von den Leiden, welche die Truppen während 72tägiger Einschließung ertragen hatten. Die Deutschen hatten in dieser Zeit 240 Offiziere und 5500 Mann an Toten und Verwundeten verloren. Vom Gegner gingen 6000 Offiziere und 167,000 Mann, außerdem 20,000 zur Zeit noch nicht transportable Kranke, zusammen gegen 200,000 Mann, in Gefangenschaft. In die Hände der Deutschen fielen 56 kaiserliche Adler, 622 Feld-, 876 Festungsgeschütze, 72 Mitrailleusen und 260,000 Gewehre. Die Gefangenen wurden über Trier und Saarbrücken durch Landwehrbataillone transportiert, waren dann aber auch in der Heimat durch letztere zu bewachen, so daß auf deren Rückkehr nicht gerechnet werden durfte. Durch die Kapitulation von Metz, welche Prinz Friedrich Karl unter so schwierigen Umständen erzwungen, war die gesamte Kriegslage wesentlich gebessert. Schon vor Eintritt der Katastrophe, aber in sicherer Voraussicht derselben, wurde im großen Hauptquartier über die dadurch verfügbar werdenden Heeresteile getroffen und den Oberbefehlshabern im Voraus mitgeteilt. Danach bildeten das I., VII. und VIII. Korps nebst der III. Kavalleriedivision fortan die I. Armee und traten unter Befehl des Generals von Manteuffel. Ihr Auftrag war, nach der Gegend von Compiegne zu marschieren und die Einschließung von Paris gegen Norden zu sichern. Außerdem lagen derselben freilich noch verschiedene Leistungen ob. Sie hatte Metz zu besetzen, Diedenhofen und Montmedy zu belagern. Das II., III., IX. und X. Korps nebst der I. Kavalleriedivision traten aufs Neue als II. Armee unter Befehl des Prinzen Friedrich Karl und waren bestimmt, nach der mittleren Loire abzurücken…“

Feldmarschall Helmuth von Moltke der Ältere, unser großer Schweiger

„Moltke trat so weit aus seiner gleichmütigen Passivität heraus, daß er sich, mit freundigem Blick gegen die Zimmerdecke und mit Verzicht auf seine sonstige Gemessenheit in Worten, mit der Hand vor die Brust schlug und sagte: „Wenn ich das noch erlebe, in solchem Kriege unsre Heere zu führen, so mag gleich nachher „die alte Carcasse“ der Teufel holen.“ Er war damals hinfälliger als später und hatte Zweifel, ob er die Strapazen des Feldzuges überleben werde. Wie lebhaft sein Bedürfnis war, seine militärisch-strategische Neigung und Befähigung praktisch zu betätigen, habe ich nicht nur bei dieser Gelegenheit, sondern auch in den Tagen vor dem Ausbruch des böhmischen Krieges beobachtet. In beiden Fällen fand ich meinen militärischen Mitarbeiter im Dienste des Königs abweichend von seiner sonstigen trocknen und schweigsamen Gewohnheit heiter, belebt, ich kann sagen, lustig. In der Juninacht 1866, in der ich ihn zu mir eingeladen hatte, um mich zu vergewissern, ob der Aufbruch des Heeres nicht um 24 Stunden verfrüht werden könnte, bejahte er die Frage und war durch die Beschleunigung des Kampfes angenehm erregt. Indem er elastischen Schrittes den Salon meiner Frau verließ, wandte er sich an der Tür noch einmal um und richtete im ernsthaften Tone die Frage an mich: „Wissen Sie, daß die Sachsen die Dresdener Brücke gesprengt haben?“ Auf meinen Ausdruck des Erstaunens und Bedauerns erwiderte er: „Aber mit Wasser, wegen Staub.“ Eine Neigung zu harmlosen Scherzen kam bei ihm in dienstlichen Beziehungen wie den unsrigen sehr selten zum Durchbruch. In beiden Fällen war mir, gegenüber der erklärlichen und berechtigten Abneigung an maßgebender Stelle seine Kampflust, seine Schlachtenfreudigkeit für die Durchführung der von mir für notwendig erkannten Politik ein starker Beistand.“ (Otto von Bismarck)

Einer unserer großen deutschen Heerführer hat heute Geburtstag: Moltke der Ältere wurde im Jahre 1800 in Parchim in Mecklenburg geboren. Die Dänen, Gallier und auch die Österreicher feiern natürlich nicht, denn diesem hat unser Moltke ordentlich aufs Haupt geschlagen. Mag dies auch zur – hoffentlich vorübergehenden – Abtrennung unserer deutschen Ostmark vom Reichsverband geführt haben, so gewannen Bismarck und Moltke die Herzogtümer Schleswig und Lothringen zurückgewonnen. Daher bekommt unser Moltke nun die „Die Wacht am Rhein“ gespielt (denn mit solchen Feldherren ist unser deutscher Rhein wahrlich gut bewacht): https://www.youtube.com/watch?v=oKkRS4rL6Pw Von der Schlacht bei Colombey hören wir bei unserem Moltke in der Geschichte des Gallierkrieges von 1870-71: https://archive.org/details/geschichtedesdeu00moltuoft

„Inzwischen waren die XIII., I. und II. Division ihren Avantgarden gefolgt, welche beide letzteren General von Manteuffel, seit er bei den Vorposten die Bewegung des Feindes beobachtet, in voller Bereitschaft gehalten hatte. Auch General von Zastrow traf auf dem Gefechtsfelde ein und übernahm die Leitung auf dem linken Flügel. Bald wirkten 60 Geschütze gegen den Feind, General von Osten-Sacken dringt mit der XXV. Brigade durch den Grund von Coincy vor und ersteigt den Rand der Hochfläche. Das Tannenwäldchen an der Straße nach Belle-Croix wird erstürmt, von drei Seiten umfaßt, unter blutigen Verlusten wieder verloren und dann nochmals genommen. Bald darauf gelingt es, zwei Batterien über Planchette vorzubringen, und diesem Angriff weichen die Franzosen bis Borny aus aus; zu beiden Seiten jedoch tobt der Kampf aufs Heftigste fort. Jetzt aber drohte zur Rechten eine bedenkliche Umfassung. Als nämlich General Ladmirault benachrichtigt worden, daß seine Division Grenier aus Metz vertrieben sei, kehrte er sofort zu ihrer Unterstützung mit den beiden anderen Divisionen um, nahm den Ort wieder und rückte auf der Straße nach Bouzonville weiter vor. Indessen hatte General von Manteuffel die nötigen Anordnungen getroffen, um unter allen Umständen den die Flanke deckenden Abschnitt des Vallieres-Baches zu behaupten. Die I. Brigade wurde als allgemeine Reserve hinter Noisseville aufgestellt, die IV. Brigade nebst einem Teil der Artillerie des I. Korps trat auf der Straße von Bouzonville bei Poix dem General Ladmirault direkt entgegen, während die übrigen Batterien sein Vorrücken vom südlichen Talrand östlich Nouilly flankierten. Zur Linken hatte die ganze Zeit hindurch die Division Glümer sich bei Colombey behauptet, als jetzt, sieben Uhr abends, die Brigade Woyna zu ihrem Beistand eintraf und das Wäldchen westlich Colombey nahm. Hier nun erschien eine Unterstützung auch von der an der Seille zurückgehaltenen II. Armee sehr willkommen. Die XVIII. Infanteriedivision hatte nach starken Marsch nachmittags Biwaks bei Buchy bezogen, als aber dem General von Wrangel gemeldet wurde, daß ein Gefecht bei der I. Armee hörbar sei, setzte er sogleich seine Division noch dieser Richtung wieder in Bewegung. Dieselbe säuberte Peltre vom Feinde und besetzte, in Verbindung mit der Brigade von Woyna, nun auch Grigy, einigermaßen schon im Rücken der feindlichen Stellung vor Borny. Auch auf dem rechten Flügel der Gefechtslinie war die II. Division über Nouilly und die angrenzenden Weinberge gegen Metz wieder vorgedrungen und hatte bei schon eingetretener Dunkelheit dem Gegner diesen Ort und das nebenliegende Wäldchen entrissen. Die Franzosen waren nicht über Villiers l’Orme hinausgekommen und traten nun auf der ganzen Linie von dort bis Grigy den Rückzug an. Nur die Forts, namentlich Sankt Julien, schleuderten ihre Geschosse gegen die nachrückenden Preußen in die Nacht hinaus. Der Kampf am Abend des 14. August kostete dem Angriff den erheblichen Verlust von 5000 Mann, darunter über 200 Offiziere, während die Franzosen, und zwar vornehmlich ihr 3. Korps, nur 3600 Mann einbüßten. Eine Ausnutzung des Sieges durch unmittelbare Verfolgung war natürlich durch die Werke eines großen Kriegsplatzes völlig ausgeschlossen. Schon deshalb war eine Schlacht der I. Armee an diesem Tage nicht geplant gewesen, wohl aber die Möglichkeit einer solchen vorgesehen worden. Wenn zwar bei dem späten Beginn des Kampfes nur eine Division der II. Armee der I. zu Hilfe eilen konnte, so hatte ihr Auftreten in der linken Flanke des Gegners seine Wirkung nicht verfehlt. Die Art, wie die Schlacht entstanden, schloß ihre einheitliche Leitung aus. Es waren vornehmlich nur die Avantgarden von vier Divisionen, welche das Gefecht führten, und indem schwache und nicht sogleich zu unterstützende Abteilungen mit großer Kühnheit den weit überlegenen Feind angriffen, entstanden mehrfach Krisen, welche bedenklich werden konnten, wenn der Gegner mit den eng versammelten Kräften nachdrücklicher vorging. Indes wurde sein 3. Korps von dem dicht dahinter stehenden Gardekorps nicht unterstützt. Dagegen tritt in dieser wie in den vorangegangenen Schlachten auf preußischer Seite die aus selbstständiger Entschließung hervorgehende gegenseitig geleistete Hilfe aller im Bereich des Gefechtsfeldes stehenden Kommandeure glänzend hervor. Ein wesentlicher Anteil an dem glücklichen Ausgang muß der Artillerie zugeschrieben werden. Vorauseilend unterstützte sie auf das Wirksamste die Avantgarden, welche, noch bevor das Gros ihrer Divisionen Zeit hatte, anzulangen, die Franzosen aus ihrer Stellung vor Metz völlig und bis unter den Schutz der Werke dieses Platzes zurückdrängten. Bei dieser Zuflucht des Gegners konnte der Sieg bei Colombey – Nouilly selbstverständlich keine Trophäen aufweisen, aber mit dem erreichten Ergebnis durfte die obere Leitung wohl zufrieden sein. Denn der Abzug des Feindes war unterbrochen und ein Tag für den Übergang der II. und III. Armee über die Mosel gewonnen…“

Karl vom Stein, unser preußischer Erneuer

Im Jahre 1757 wurde unser Freiherr Karl vom und zum Stein in Nassau geboren. Bekannt durch seine Reformtätigkeit im alten Preußen und seine Ächtung durch Napoleon, die er mit seiner Tätigkeit als geistiger Leiter des Bundes gegen den welschen Eroberer beantwortete. Und so war er auch beim Eindringen der Preußen und Österreicher nach Gallien 1814 mit dabei. Aus seiner Schilderung entnehmen wir jedoch, daß man besser auf Ketten nach Gallien fährt als mit einem Verbündeten wie dem Metternich:

„Das Hauptquartier rückte nach Freiburg. Hier bemühte sich Fürst Metternich, den Kaiser zu bewegen, für seine Person nicht nach Frankreich zu gehen, sondern abzuwarten, ob der Krieg einen Nationalwiderstand veranlassen und dieser nicht zu unterdrücken sein werde: der den Vorschlag mit Unwillen verwarf und wiederholt erklärte, er werde selbst den Operationen beiwohnen, sogleich über Schaffhausen nach Basel abging und von da den Truppenmarsch über Vesoul nach Langres beschleunigte. Durch den Übergang über den Rhein und das schnelle ungehinderte Vorrücken der Verbündeten wurde nun ein großer Teil der deutschen, belgischen und altfranzösischen Provinzen erobert; über ihre Verwaltung durch das Zentraldepartement gab ich in Basel meine Vorschläge ab, die genehmigt, den 12. Januar 1814, und ausgeführt wurden. Ihre Ausführung auf dem linken Rheinufer und Belgien war ohne Schwierigkeit wegen der Abneigung der Einwohner gegen die Franzosen; diese Länder wurden zum Vorteil der Verbündeten benutzt. Anders war es in Frankreich; hier zeigten die Einwohner die größte Widersetzlichkeit gegen die Einrichtungen, die getroffen werden mußten, weil Napoleon alle Verwaltungsbehörden aufgelöst hatte; die Abgaben stockten größtenteils; die in mehreren besetzten Departements, zum Beispiel Lothringen, ausgebrochenen Aufstände der Landleute und die kurze Dauer der Verwaltung, die durch eine mit Frankreich geschlossene Konvention d. d. 23. April 1814 wieder aufgehoben und diesem zurückgegeben wurde, ließen nichts zu einer gewissen Festigkeit gelangen. In dem Hauptquartier zu Langres (Januar 1814) traf Lord Castlereagh, der englische Prinzipalminister, ein. – Kaiser Alexander war fortdauernd gegen Metternich erbittert; dieser beherrschte aber Nesselrode und Hardenberg. Um nun zu verhindern, daß Castlereagh nicht in eine gleiche Stellung komme, so empfahl ich seinem Bruder, Sir Charles Stuart, mit dem ich in einem freundschaftlichen Verhältnisse seit Dresden stand, ihn zu warnen, daß er sich dem Einflusse Metternichs nicht ganz überlasse und sich das Vertrauen des Kaisers nicht entziehe; es sei wichtig, daß er es erlange, um eine von diesem gefaßte Idee, Bernadotte eine überwiegende Stellung in Frankreich zu verschaffen, zu verhindern. Stuart teilte diese vertrauliche Eröffnung Metternich mit, der darüber mit dem Kaiser sprach und, um mir zu schaden, mich nannte. – Der letztere äußerte mir beim Mittagessen: ich habe etwas gesagt, das ihm schade, und kam darauf in der Folge in Paris wieder zurück. Castlereagh vereinigte sich mit Metternich, um den Kaiser abzuhalten, weiter in Frankreich vorzudringen, auch Hardenberg trat ihm bei und Nesselrode. Der Kaiser erklärte, er werde allein und ohne fremde Hilfe den Krieg fortsetzen, fragte den König, wozu er entschlossen? der zwar seine Bedenklichkeiten äußerte, aber zugleich: er werde ihn nicht verlassen. Beide Monarchen gingen nach Chaumont, und hier kam ihnen bald die Meldung zu vom Vorrücken Napoleons gegen Brienne, sie eilten hin, und die Schlacht bei La Rothière 2. Februar 1814 wurde geliefert, ihre Folge war das Vorrücken bis gegen Troyes, Nangis. – Österreich wünschte den Frieden, und die Unterhandlungen zu Chatillon begannen; diejenigen, welche an die Unmöglichkeit eines dauerhaften Friedens mit Napoleon glaubten und die kräftige Fortsetzung des Krieges für nötig hielten, zu denen ich gehörte, wurden von den Österreichern als überspannt und leidenschaftlich getadelt, so äußerte sich der Kaiserliche Geheime Rat Baldacy gegen mich und bewies mir die Notwendigkeit des Friedens wegen der Erschöpfung der Armeen. Die Konferenzen in Chatillon begannen den 6. Februar; Fürst Schwarzenberg ließ in den militärischen Bewegungen nach (Kaiser Franz verbot ihm, dem Feldherrn eines verbündeten Heeres, auf das rechte Seineufer zu gehen); dies benutzte Napoleon, um auf die an der Marne sehr vereinzelt stehenden Korps der Blücherschen Armee zu fallen und sie zu schlagen. Nun vermehrte sich der Wunsch nach Frieden, die wenigen, welche für den Krieg stimmten, insbesondere Pozzo di Borgo und ich, wurden zurückstoßend behandelt, der Kaiser selbst wurde bedenklich, er wünschte einen Waffenstillstand. Der Übermut Napoleons ließ abermals die Gelegenheit zu einem ihm rühmlichen, aber Europa und zunächst Österreich gefährlichen Frieden unbenutzt und die Unterhandlungen in Chatillon ins Stocken geraten. Das verbündete Heer hatte unterdessen Troyes verlassen, zog sich bis gegen Vandoeuvre zurück. In einer dortigen Konferenz wurde beschlossen, das Blüchersche Heer, welches das Bülowsche Armeekorps an sich gezogen, mit dem Winzingerodeschen bis zu 100,000 Mann zu verstärken und es zur Offensive in den Stand zu setzen. Die Entschlossenheit Blüchers, Gneisenaus und Grolmanns ergriffen sie mit Lebhaftigkeit, achteten nicht den nachgekommenen Gegenbefehl, sich mit Schwarzenberg zu vereinigen, und der glorreiche Erfolg ist bekannt. Ende Januar erschien Graf von Artois in Vesoul, er wurde von den Einwohnern und den Verbündeten sehr kalt aufgenommen, letztere sahen ihn als ein Hindernis des Friedens an, Kaiser Alexander war den Bourbonen abgeneigt. Man wollte ihm die Ergreifung entscheidender Maßregeln nicht erlauben, er lebte also sehr eingezogen, schickte Graf François d’Escars nach dem Hauptquartier in Troyes Anfang Februar. Ich unterstützte bei allen Gelegenheiten seine Sache, hielt die Wiedereinsetzung der Bourbonen als eine Wirkung des ihnen angestammten und auf keine gültige Art verlorengegangenen Rechts auf den französischen Thron, das unter allen Verhältnissen zu beobachten sei, alle anderen Auswege einer ganz neuen Dynastie, da kein eminenter, hoch emporragender Mann vorhanden war, um sie zu gründen, oder eine Regentschaft Marie Luisens mit Beiordnung von Bernadotte als Vormund, wegen der Gefahr einer langen Minorennität und des Mangels von Achtung und Vertrauen, das Bernadotte hatte, wegen seines zweideutigen Betragens 1813 und 1814, für durchaus verwerflich. Graf Artois ging nach Nancy, ich empfahl ihn dem von mir ernannten dortigen Gouverneur Herrn von Alopeus und autorisierte ihn zur Erteilung einer Geldunterstützung. Der Krieg wurde im Februar und März mit großer Lebhaftigkeit, zuletzt mit überwiegendem Vorteil der Verbündeten fortgesetzt, die Siege bei Laon (10. März), bei Arcis sur Aube (20. und 21.) erfochten. Das Vorrücken Napoleons gegen St. Dizier, der Aufstand der durch den Druck des Krieges aufgereizten Landleute in Lothringen, einem Teil von Champagne zwang das große Hauptquartier, wo der Kaiser Franz und sämtliche Diplomaten waren, von Bar sur Aube über Chatillon nach Dijon zu eilen….“

Die Schlacht von Tours und Poitiers oder die Rettung des Abendlandes

Der Rettung des Abendlandes gedenken wir heute. Beinahe wäre dieses nämlich dem Arabersturm zum Opfer gefallen. Doch stemmte sich diesem Karl der Hammer 732 bei Tours und Poitiers entgegen. Wie groß beide Heere waren wissen wir nicht. Manche Quellen sprechen gar von 370,000 erschlagenen Muselmanen. Wahrscheinlich boten beide Seiten mehrere zehntausend Mann auf und entsprechend dürften auch die Totenzahlen gewesen sein. Sieben Tage belauerten sich beide Heere, ehe es zur Schlacht kam. In dieser fand der arabische Monty Rahman den Tod. Am Ende des Schlachttages zogen sich beide Heere wieder in ihre Feldlager zurück. Erst am nächsten Tag bemerkte Karl der Hammer, daß die Araber in der Nacht geflohen waren. Auf eine Verfolgung verzichtete er. Winterfeldzüge waren damals mehr oder weniger ein Ding der Unmöglichkeit. Vom Nachgang der Schlacht lesen wir bei unserem Geschichtsforscher Theodor Breysig in den „Jahrbüchern des fränkischen Reiches“: https://reader.digitale-sammlungen.de//de/fs1/object/display/bsb10800605_00001.html

„An den Pyrenäen sammelten sich demnach aus Spanien und Afrika Truppen; doch es war Abdalmelie nicht möglich Vorteile zu gewinnen. In den Engpässen des Grenzgebirges gelang den Christen ein Überfall; der Statthalter Spaniens zog sich mit großem Verluste zurück. Als im Jahre 736 an seine Stelle Ocba Ben Alhegag trat, unternahm dieser neue Statthalter einen Feldzug gegen die Franken; doch schon in Saragossa mußte er umkehren, weil ihn ein Befehl des Statthalters in Afrika zur Dämpfung eines Aufstandes in Libyen nach Cordoba rief. Wenn auch durch diese Verhältnisse in diesem Jahre und später durch die Streitigkeiten unter den muselmännischen Befehlshabern und den tapferen Widerstand der christlichen Bevölkerung in den Pyrenäen die Ausführung eines Feldzuges der spanischen Statthalter verhindert und stets verschoben wurde; so erforderte die doch stets von Spanien und Narbonne her drohende Gefahr die Sicherstellung der südlichen Grenzen. Die Verhältnisse in Burgund boten jedoch eben so wenig Gewähr für eine nachdrückliche Abwehr der Araber im Südosten des merowingischen Reiches als für den Widerstand gegen Aufstandsversuche. In Burgund war die Absicht einzelner Bischöfe, sich eine territoriale Herrschaft, unabhängig von der Gewalt des Majordomus zu bilden, fast zur vollkommensten Entwickelung gekommen. Die Bischöfe von Auxerre, Savarieus und Hainmar, waren vom Jahre 715-730 fast unabhängige Herren in einem großen Teile von Burgund gewesen. Das Ansehn dieses zu Gewalttätigkeiten höchst geneigten, kriegerischen und reichen Geschlechtes flößte Karl Besorgnis ein, als Eucherius, der Neffe des Savarieus, den er selbst 717 als Bischof von Orleans auf Bitten der Gemeinde eingesetzt hatte, in seinem Ansehn daselbst so bedeutend zunahm, daß Karls Räte ihn angingen, den Bischof und dessen Verwandte von ihren Stellen zu entfernen und in die Verbannung zu schicken. Der Majordomus erklärte ihnen, daß eben wegen des kriegerischen Geistes und Reichtums dieses Geschlechtes ihr Antrag nicht so ohne Weiteres durchzuführen ginge. Als aber Karl nach Besiegung der Araber über Orleans nach Paris sich begab, befahl er dem Bischof Eucherius ihm zu folgen. Derselbe erscheint, nachdem er dem Befehle Karls gemäß Paris nicht besucht hatte, in Vernum, einem königlichen Gute, obgleich er merkte, daß ihm Nachstellungen bereitet würden. Hier ließ ihn Karl er greifen und nebst seinen Verwandten nach Köln in die Verbannung führen. Als auch dort Eucherius sich einen großen Anhang erwarb, so schickte ihn Karl, fürchtend, daß er heimlich mit seinen Anhängern sich in die Alpen flüchte, in den Gau Hasbania, in die Nähe des Ortes Sarchinium und übergab ihn dem Herzog Robert zur Bewachung. Eucherius hat in dem zum Sprengel von Metz damals gehörigen Kloster Sankt Trudo öfters gepredigt und ist in ihm nach seinem 738 erfolgten Tode begraben. Karl trat hier höchst gewalttätig auf; er entfernte einen Bischof von seinem Sitze ohne eine Synode seine Schuld entscheiden zu lassen; er behandelte ihn wie einen politischen Feind weltlichen Standes. Es ist nicht überliefert, was die Schuld des Eucherius gewesen, doch sicherlich ist er und sein Geschlecht nicht deshalb von den Ämtern entfernt worden, damit die Umgebung Karls und dieser selbst sie zu ihrem Nutzen verwende, wie der Biograph des Eucherius berichtet; es ist vielmehr wahrscheinlich, daß die Familie des Eucherius, festhaltend an den Bestrebungen, die Savarieus einst auszuführen begonnen, sich durch die Macht des Majordomus gedrückt fühlte und sich bei dem Aufstande, den Endo 731 machte, nicht entschieden als ein Parteigänger Karls gezeigt hatte. Da Eucherius unter den Mitgliedern seiner Familie der einflußreichste Mann war; da ihn seine bischöfliche Stellung in Orleans zu einem gefährlichen Feinde machen konnte, wenn er offen gegen Karl auftrat: so war der Schlag gegen ihn ein Akt politischer Notwendigkeit…“

Gustav Frenssen

Mit unserem Gustav Frenssen hat heute ein weiterer unserer großen deutschen Dichter Geburtstag. Zur Welt kam er 1863 im Dorf Barlt im alten Bauernfreistaat Dithmarschen und verdiente zunächst seine Brötchen als Pfaffe. Doch konnte er ab 1902 von seiner Dichtkunst leben und nahm daher seinen Abschied bei der Kirche. Statt dem Schwert führte unser Frenssen in den letzten beiden Kriegen die Feder für unser deutsches Vaterland, da er für den Kriegsdienst zu alt war. Zur Frau nahm unser Dichter 1890 Anna Walter. Wegen Kinderlosigkeit nahmen die beiden 1910 das Mädchen Wiebke als Tochter an. Zu lesen gibt es von unserem Frenssen vor allem Erzählungen und dazu ein paar Geschichtsbücher und Denkschriften… Ein Ehrenafrikakämpfer ist unser Frenssen unzweifelhaft. Denn in seinem Feldzugsbericht „Peter Moors Fahrt nach Südwest“ besingt er die Kämpfe unserer Schutztruppe mit den Negern und sorgt damit für die nötige Begeisterung für den afrikanischen Kriegsschauplatz bei der Jugend: https://archive.org/details/petermoorsfahrt01frengoog

„Als ich ein kleiner Junge war, wollte ich Kutscher oder Briefträger werden; das gefiel meiner Mutter sehr. Als ich ein großer Junge war, wollte ich nach Amerika; da schalt sie mich. So um die Zeit, als die Schuljahre zu Ende gingen, sagte ich eines Tages, ich möchte am liebsten Seemann werden; da fing sie an zu weinen. Meine drei kleinen Schwestern weinten auch. Aber am Tage nach meiner Schulentlassung stand ich, ehe ich recht bedachte, was mit mir geschah, in meines Vaters Werkstatt am Amboß, und unser Geselle, der aus Sachsen zugewandert war und schon lange Zeit bei Vater arbeitete, sagte: „Siehst Du – da stehst Du! Und da bleibst Du stehn, bis Du grau wirst“, und lachte. Da wir gerade eine gute Arbeit hatten, nämlich vor einem schönen Neubau an der Breiten Straße Tor und Gitter machten, gab ich mich zufrieden und blieb also die drei Jahre in der Werkstatt meines Vaters und arbeitete mit ihm und dem Gesellen und ging abends in die Gewerbeschule. Ich bekam zweimal einen ersten Preis. Im zweiten Jahr meiner Lehrzeit, in meinem siebzehnten Lebensjahr, traf ich auf der Straße Heinrich Gehlsen, den Sohn vom Lehrer Gehlsen, der früher bei uns angestellt war und jetzt Hauptlehrer in Hamburg ist, mit dem ich als Junge zuweilen gespielt hatte. Er war einige Jahre älter als ich und war nun Student in Kiel. Während wir zusammen die Breitenburger Straße hinunter gingen, erzählte er mir, daß er im Herbst 1903 als Einjähriger beim Seebataillon eintreten wolle. Ich fragte: „Warum willst Du gerade da eintreten?“ Er sagte: „Es ist eine feine Truppe. Und dann ist es möglich, daß man einmal auf Reichskosten übersee kommt. Denn wenn in irgendeiner unserer Kolonien ein Aufstand ausbricht, oder sonst in der weiten Welt was los ist, kommt zu allererst das Seebataillon unterwegs.“ Ich sagte nichts weiter dazu; aber ich dachte in meinem Sinn, daß ich später auch zum Seebataillon gehen könnte. Ich war schon einige Male in Kiel gewesen; und ich mochte auch die Uniform wohl leiden. Auch gefiel mir, was er von Übersee gesagt hatte. Ich wußte aber damals noch nicht, wie ich das Ding anfassen sollte. Aber im nächsten Jahr erfuhr ich eines Tages von einem älteren Schulkameraden, der in Kiel bei den Fünfundachtzigern diente, daß das Seebataillon Dreijährig-Freiwillige annähme. Da fragte ich am selben Abend meinen Vater, als ich beim Aufräumen war und er mit seiner halblangen Pfeife durch die Werkstatt ging, um ein wenig die Straße entlang zu sehen, wie er abends zu tun pflegte: ob ich mich melden solle. Ihm gefiel das wohl; denn er hatte es bei den Einunddreißigern in Altona bis zum Unteroffizier gebracht. Er sagte also nichts weiter als: „Deine Mutter wird vor dem Wort „See“ bange werden.“ „Ja“, sagte ich, „aber sie hat doch die drei Mädchen.“ „Geh hin“, sagte er, „und stelle es ihr vor; sie ist in der Küche.“ Indem kam sie schon aus der Küche in die Werkstatt und sagte mißtrauisch: „Was steckt ihr noch die Köpfe zusammen?“ Sie meinte: weil es schon Feierabend war und die Arbeit getan. Mein Vater sagte: „Der Junge will sich freiwillig beim Seebataillon in Kiel melden; Du mußt nicht bange werden: das Bataillon heißt nur darum so, weil es die Seefestung verteidigen muß. Und außerdem: wenn er sich nicht freiwillig meldet, kommt er vielleicht an die russische Grenze; und das ist weit weg.“ Da ging sie still in die Küche und sagte nichts weiter dazu, und gab mir im Herbst die Wäsche mit, alles heil und rein, wie es sich gehört; das meiste war neu. Und sie war ganz zufrieden, weil Kiel so nah‘ bei Itzehoe liegt. Auch hatte ihr unser Kaufmann, der in Kiel Verwandte hat, erzählt, das viele gute Handwerkersöhne im Seebataillon dienen. Ich war gerne Soldat, besonders nachdem wir die Ausbildung hinter uns hatten. Wir hatten lauter ordentliche Leute auf der Stube, und der Unteroffizier, der ein Schleswiger war, war nur dann ungemütlich, wenn einer faul oder dreckig war. Den Leutnant taxierten wir damals nicht richtig. Wir meinten, er wäre für einen Offizier zu zart. Aber nachher haben wir erkannt, daß er ein Held war. Am Anfang meines zweiten Dienstjahres, in den Weihnachtstagen 1903, war ich auf Urlaub bei meinen Eltern in Itzehoe und tanzte am zweiten Weihnachtstage auf dem Ball mit Maria Genthien. Ich kannte sie ein wenig von meiner Kindheit her; aber ich hatte sie nachher niemals wieder getroffen; ich wußte auch nicht, daß sie seit zwei Jahren in Kiel in der Holtenauer Straße diente. Als wir zum drittenmal miteinander tanzten, lachten wir uns an und sagten beide zu gleicher Zeit: „Das geht schön!“ Wir dachten aber mit keinem Gedanken daran, daß es eine ernste Sache werden könnte. Am Tage nach Neujahr ging ich wieder nach Kiel in den Dienst. Vierzehn Tage später, am Abend des 14. Januar, ging ich mit Behrens und einem andern Kameraden durch die Dänische Straße; da kam Gehlsen uns entgegen, der nun wirklich als Einjähriger diente und bei meiner Kompagnie stand, und sagte zu mir: „Hast Du schon gelesen?“ Ich sagte: „Was denn?“ Er sagte: „In Südwestafrika haben die Schwarzen feige und hinterrücks alle Farmer ermordet, samt Frauen und Kindern.“ Ich weiß ganz gut in der Erdkunde Bescheid; aber ich war erst doch ganz verwirrt und sagte: „Sind diese Ermordeten deutsche Menschen?“ „Natürlich“, sagte er: „Schlesier und Bayern und aus allen andern deutschen Stämmen, und auch drei oder vier Holsteiner, und nun, was meinst Du, wir vom Seebataillon…“ Da erkannte ich plötzlich in seinen Augen, was er sagen wollte. „Wir müssen hin!“ sagte ich. Er hob die Schultern: „Wer sonst?“ sagte er. Da schwieg ich eine kurze Weile; es ging mir sehr viel durch den Kopf. Dann war ich damit fertig und sagte: „Na, denn man zu!“ Und ich freute mich, und ich sah im Weitergehn die Leute an, die des Weges kamen, ob sie vielleicht schon wüßten und uns anmerkten, daß wir nach Südwest gingen, um an einem wilden Heidenvolk vergossenes deutsches Blut zu rächen. An einem Vormittag war es wirklich so weit. Der Major hielt auf dem Hof der Kaserne eine kurze Rede: das und das wäre draußen geschehen; es sollte ein Bataillon Freiwilliger geschickt werden; wer mit wolle. Da traten wir fast alle vor. Die Ärzte untersuchten uns, ob wir für den Dienst in den Tropen fähig wären. Sie fanden mich brauchbar. Am selben Nachmittag schon bekamen wir in den niedrigen Stuben der Kammer die gelben Langschäftigen ausgeliefert, dazu die kurze blaue Jacke oder Litewka. So ausgerüstet gingen wir sogleich in die Stadt. Was war das für ein Zunicken und ein Anreden! Während sonst Soldaten, die sich nicht kennen, stumm und ohne Gruß aneinander vorüber gehen, wurden wir jetzt von allen angeredet. Die Fünfundachtziger waren sehr zurückhaltend, weil sie zu Hause bleiben mußten; die Matrosen sprachen mit Würde, als wenn jeder von ihnen dreimal um die Welt gefahren wäre. Auch viele Bürger redeten uns an, sagten, es würde eine sehr interessante Fahrt werden und es würde eine angenehme und schöne Erinnerung fürs ganze Leben bleiben, und wünschten uns gute Heimkehr. Am andern Tage, als wir in der folgenden Nacht mit der Bahn nach Wilhelmshaven abreisen sollten, kamen Vater und Mutter auf zwei Stunden von Itzehoe herüber. Ich holte sie vom Bahnhof ab und ging ein wenig mit ihnen die Holstenstraße entlang bis nach dem Schloßplatz. Mein Vater fragte dies und das, ob da wilde Tiere wären, ob die Feinde schon alle Gewehre hätten, oder ob sie noch mit Pfeil und Bogen schössen, ob es dort sehr heiß und fiebrig wäre und dergleichen. Ich konnte nicht viel drauf antworten; denn ich wußte alles dies nicht. Ich nahm aber an, daß es so wäre, wie er sagte, und gab ihm in allem recht. Wir saßen eine Stunde in einer Wirtsstube in der Nähe des Bahnhofs, sahen aus dem Fenster nach den Leuten, die vorbei gingen, und sagten nicht viel. Meine Mutter schwieg fast ganz. Sie starrte mit großen, steifen Augen auf den Fußboden und wenn sie aufsah und mich mit ihren Augen streifte, sah sie mich an, als ob sie mich das letztemal sähe. Als es Zeit wurde, brachte ich sie wieder nach dem Bahnhof…“

Die Schlacht von Karfreit oder die zwölfte Isonzoschlacht

Eine gewaltige Keilerei war die Schlacht von Karfreit fürwahr, in der so mancher den Blauen Verdienstorden Friedrichs des Großen abgestaubt hat. Die zwölfte und letzte der Isonzoschlachten nahm heute im Jahre 1917 siegreich für uns Deutsche ihren Anfang (- ihr Ende läßt sich schwer bestimmen, da sie später an der Piave ausgelaufen ist). Begonnen haben die Isonzoschlachten 1915 mit dem Bundesbruch Italiens und zum größten Teil haben die ostmärkischen-ungarischen Haustruppen der Lothringer die Angriffe der Italiener abgeschlagen. Da unsere Ostmark aber im Vierjährigen Krieg unglücklich gegen die Russen focht und starke Einbußen hatte, geriet die Front am Isonzo durch die elfte Schlacht schwer ins Wanken. Daher schickten unser Feldmarschall Paul von Hindenburg und sein Generalstabschef Erich Ludendorff unseren General Otto von Below mit seiner XIV. Armee zur Hilfe. Im Verbund mit der österreichischen I., II. und X. Armee gelang es ihm die Italiener in der Flanke zu treffen und vernichtend zu schlagen. Mit nur 400,000 Recken und 3300 Geschützen waren unser General von Below und seine Mitstreiter Alexander von Krobatin und Svetozar Boroevic von Bojna zum Angriff angetreten. Die Italiener verfügten über 850,000 Kriegsknechte und 3600 Geschütze. Während unser deutscher Verlust mit 5000 Gefallenen erfreulich gering war, büßten die Italiener fast 400,000 Mann ein und hatten zudem noch 300,000 Versprengte und Fahnenflüchtige. Wir Deutschen erbeuteten oder zerstörten 3500 Geschütze, 1730 Minenwerfer, 2900 Maschinengewehre und 300,000 Gewehre. sowie jede Menge Kriegsbedarf. Damit war die Kriegslage in Italien ins Gegenteil verkehrt und die Engländer und Gallier mußten Divisionen von der Westfront zur Stützung Italiens abziehen. Unser General Alfred Krauß hat uns mit „Der Durchbruch von Flitsch“ einen kleinen Schlachtbericht gegeben, in dem es nun weitergeht: http://www.stahlgewitter.com/erlebnisberichte/flitsch.htm

„Der Angriffsraum des I. Korps umfaßte das Flitscher Becken und die beiden das Becken einschließenden Gebirgsmassive. Das Flitscher Becken stellt den etwa zehn Kilometer langen und bis drei Kilometer breiten Talkessel des oberen Isonzo dar, der tief eingebettet zwischen dem kahlen Felsmassiv des Rombon-Caninstockes liegt und dem Polounik, einem Ausläufer des felsigen Krn-Vrsicmassivs. Das Becken wird durchflossen von der Soca, dem oberen Isonzo in einer etwa 20 Meter tiefen Flußrinne, längs welcher am nördlichen Ufer die Straße von Flitsch nach Saga führt. Dort wird der Isonzo durch den vorgelagerten, von Nordwest nach Südost streichenden, 1668 Meter hohen Stolrücken gezwungen, seine ost-westliche Laufrichtung in scharfem Knie nach Südost zu wechseln. Er fließt dann in tiefer, enger Talschlucht über Karfreit, wo der Stolrücken endet und das Tal sich weitet, nach Tolmein. Wenn man am Ostende des Flitscher Beckens steht liegt es wie eine riesige Badewanne vor dem Beschauer da. Rechts, im Norden, steigen die kahlen Felswände des Rombon und des Canin auf 1800 bis 2100 Meter über das Becken auf. Nur die 2063 Meter hohe Prevalascharte gestattet auf einem Fußsteig den Verkehr hinüber ins Raccolanatal. In diesem Felsgewirr zogen sich unsere und die italienischen Stellungen, im gelben Fels kaum erkennbar, herunter zum Ort Flitsch, der im Besitz der Italiener war. Links, im Süden, fällt der Polounik-Rücken, schütter bewaldet, in schweren Felsplatten ungemein steil zum Becken ab. Vom Wurzelpunkt des Polounik, einem 1772 Meter hohen kahlen Felsklotz, zieht dann, durch eine zehn Meter hohe Einsenkung, Pl. Za Kraju, getrennt, der schale zerklüftete Felsrücken des Vrsic-Vrata-Krn-Kammes parallel zum Isonzo nach Südosten, so daß zwischen dem Polounik, dem Vrsic-Krnrücken und einem seiner Ausläufer ein gegen den Isonzo abfallender Kessel entstehet in dessen Mittelpunkt der kleine Ort Ravna liegt. Von Flitsch zog die italienische Stellung nach Süden auf den Vrsic-Krn-Rücken, so daß der ganze Polounik, der 1270 Meter hohe Sattel Za Kraju und Ravna in italienischem Besitz waren. Im Flitscher Becken zog etwa zwei Kilometer hinter der ersten Stellung eine zweite italienische Stellung von den Felsabstürzen des Rombon im Bogen zum Polounik. Bei Podcelom, vier Kilometer westlich Flitsch verengt sich das Becken zu einem mäßig breiten Tal, das durch einen zum Isonzo vorspringenden niederen Feuerriegel gesperrt ist. Auf diesem Feuerriegel lag eine dritte italienische Stellung. Im Westen wird die Badewanne des Flitscher Beckens durch den in die Wolken aufragenden, 1668 Meter hohen, mächtigen Stolrücken abgeschlossen, der dort 1300 Meter über die Talsohle aufragt. Durch den fernen Nebeldunst schimmern die Häuser von Saga herüber. Auch der Stolrücken trug mehrere Linien italienischer Befestigungen, deren letzte den Rücken krönte. Als ich das erstemal nach meinem Eintreffen in Kronau das mir wohlbekannte großartige Bild des Flitscher Beckens wieder sah, klopfte mein Herz doch bedenklich stark angesichts der schweren Aufgabe. Ich erkannte, daß der Talstoß nur gelingen konnte, wenn man die Italiener überrannte, wenn man ihnen also keine Zeit ließ, die rückwärtigen Linien, vor allem den Stol, zu besetzen. Gelang es den Italienern den Stol in Ordnung regelrecht zu besetzen, dann erschien ein Aufstieg aus dem Becken wohl ausgeschlossen. Darauf gründete sich mein Plan. Danach sollte die XXII. Schützendivision, Generalmajor Rudolf Müller, den Hauptstoß im Tale führen. sie hatte dazu drei Regimenter hintereinander zu gruppieren; das Teteregiment hatte den Angriff zwischen Flitsch und dem Abfall des Rombon zu führen und soweit als möglich vorzudringen. Die linke Flanke dieses Angriffes sollte durch Vergasung der angrenzenden italienischen Stellung bis zur Soca durch Gaswerfer geschützt werden. Die anderen zwei Regimenter hatten den Angriff weiter zu tragen, wenn das vorangegangene Regiment verbraucht war. So hatten die drei Regimenter den Angriff, sich gegenseitig übergreifend, in Fluß zu halten. Sofort nach Erreichung von Saga, des westlichen Endpunktes des Flitscher Beckens, mußte der Stol erstiegen und erobert werden. Für diese Aufgabe wurde eine eigene Gruppe aus zwei vorzüglichen Gebirgsbataillonen – ein Kaiserjäger- und ein Kaiserschützenbataillon – bestimmt, die am Ende der XXII. Division folgend, von Saga ohne Halt auf den Stol vordringen sollte. Der Talstoß hatte in einem Zug ohne Unterbrechung bis auf den Stol zu erfolgen, der noch am ersten Angriffstag erreicht werden sollte. Nun galt es noch die Flanke der Armee zu sichern und zu diesem Zweck die anschließende Zona Carnia der Italiener, den Abschnitt der Karnischen Alpen, zusammenbrechen zu machen. Diese Rolle fiel der Edelweißdivision zu, die mit sechs Bataillonen dicht hinter der Stolgruppe nach Saga zu folgen hatte. Von dort sollte sie mit schwerster Artillerie ausgestattet, auf der angeblich bestehenden Straße über Uccea und den Nizki-vrh nach Resiutta vordringen, in den Rücken der in den Karnischen Alpen stehenden Italiener. Auf den Bergen beiderseits des Beckens sollten die Italiener durch kräftige Angriffe gebunden werden. Auf dem Rombon hatten vier Bataillone der Edelweißdivision – das Salzburger LIX. Infanterieregiment und ein Kaiserjägerbataillon – die feindliche Stellung anzupacken und bis zur Prevalascharte vorzudringen. Zu dieser Scharte hatte nach erfolgtem Durchbruch im Tal auch ein Kaiserjägerbataillon der Edelweißdivision von Flitsch aus aufzusteigen. Dadurch sollte auch die benachbarte X. Armee unterstützt werden. Südlich des Beckens hatte die LV. Infanteriedivision anzugreifen, den Vrsic-Vratarücken und den Polounik zu nehmen und mit der Hauptkraft über Ravna nach Karfreit vorzustoßen. Sie hatte Verbindung zu halten mit der links (südlich) anschließenden k. u. k. L. Division, die der Gruppe General von Stein angehörte…“

Franz Liszt

In Raiding im Burgenland wurde 1811 unser großer deutscher Tondichter Franz Liszt geboren. Wir Deutschen verdanken ihm über 700 Tondichtungen und besonders die Freunde der Klaviermusik kommen bei ihm auf ihre Kosten. Einige seiner Werke wollen wir Panzertiere euch heute vorstellen. Liszt Fuge zur Huldigung Bachs suche ich mir aus (auch auf die Gefahr hin, damit bei der Jungfer Dosenschreck mächtig Pluspunkte zu sammeln): https://www.youtube.com/watch?v=GulmwjIoITI Dazu lese ich ein Stückchen bei unserer Musikgelehrten Lina Ramann in „Franz Liszt als Künstler und Mensch“ weiter: http://www.zeno.org/Musik/M/Ramann,+Lina/Franz+Liszt

„bedeutsam der erste Baß im Gretchen-Satz – begleiteten Gedanken, der wie ein Sehnsuchtshauch sich der abermaligen Bratschenbegleitung unterfügt, während das unschuldsvolle Thema gleichmäßig sich fortsetzt. Dabei verrät es durch kleine chromatische und Vortragsveränderungen, daß die Knospe im geheimen Weben innerer Entwickelung sich regt. Nochmals erklingt der Fagottgedanke mit dem Baßschritt. Obwohl im Zwielichtklang der Instrumente, wird Melodie, Begleitung, Harmonie und Rhythmik ausdrucksvoller, ja erregt. Plötzlich bricht alles ab – nur fünf Takte: es spielen die Klarinette und die erste Violine die poetische Sternblumenepisode: „Er liebt mich – liebt mich nicht“, mit einander ab, erstere im Hintergrund süßen Flötenklangs, letztere verbunden mit der zweiten Violine – eine reizende kleine Tonmalerei, die einzige im Gretchensatz. Mit dem glücklichen: »Er liebt mich!“ beschließt eine abermalige Fermate die liebliche Scene, worauf das Gretchenthema in seinem süßen innocente, im Wohllaut durch eine breitere Instrumentation noch erhöht, von neuem eintritt – jetzt als Übergang zum zweiten Hauptthema Gretchens: Es zeigt sich, obwohl kontrastierend mit dem ersten, diesem an Einfachheit und Unschuld verwandt, trägt aber ein wärmer pulsierendes, zum Entzücken inniges Seelenleben in sich. Mit Harfenglanz, pathetisch, tritt Faust zu Gretchen in dem bereits bekannten Faustmotiv Ib. Mit ihm beginnt der Mittelsatz. Im Silberschleier des Mondenglanzes entspinnt sich ein Minnen und Werben, ein seelisches sich Ein- und Untertauchen, ein Liebesdialog von ebenso großer dichterischer Schönheit wie innerer Wahrheit. Musikalisch besitzt diese Szene nur ein Seitenstück: die Lenznacht in Wagners „Walküre“. Von psychologischer Tiefe ist besonders die innere Wandlung Fausts unter dem Hauch einer reinen Frauenseele. Scheinen hinter den zuckenden den, bebenden Bässen seines Eintretens in das Gretchenbild die auf Mephisto bezüglichen Worte zu klingen: „Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer Nach jenem schönen Bild geschäftig an –“ so veredelt sich nun unter Gretchens Wesen das wilde Verlangen zu edler männlicher Schönheit, durchtränkt von dem göttlich-harmonischen Gefühl des Weltganzen, wie Goethes Dialog es unvergänglich schön ausdrückt, indem Fausts auf Gretchens Frage: „Glaubst Du an Gott?“ in dem Satze gipfelt: „Schau ich nicht Aug‘ in Auge Dir, Und drängt nicht alles Nach Haupt und Herzen Dir, Und weht in ewigen Geheimnis Unsichtbar, sichtbar neben Dir? Erfüll davon Dein Herz, so groß es ist, Und wenn Du ganz in dem Gefühle selig bist, Nenn es dann wie Du willst, Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott! Ich habe keinen Namen Dafür! Gefühl ist alles.“ „Gefühl ist alles“ –, dieser musikalische Hinweis Goethes, der noch gleichsam gebannt ist in das Tonleben, entfaltet unter dem Hauch des Tongenies seine inneren Wunder der Liebe zu einer Stimmungseinheit und Seligkeit, die das Wort nur andeuten konnte. Das dritte Faust-Thema ist der Träger dieser Stimmung. Es hat seine übermäßige Spannung abgestreift; das jetzige harmonische und instrumentale Kolorit im zartesten Hauch tritt ein in die Szene. Wie aus tiefstem Born „ewigen Geheimnisses“ steigt die Cellomelodie empor; über sie wölben sich, klingende Kuppeln, dreifache Flötenarpeggien in Triolenbewegung, während die Harfe ihre Silberfäden nach oben zieht. – Auch die andern dem Gretchen-Satz verwobenen Faust-Themen und Motive – sämtliche mit Ausnahme des I. und V. Themas – verwandeln sich dem inneren Zustand Fausts entsprechend. Der eben berührten wunderbaren Stelle folgt wieder das erstgenannte Thema (Ib), aber jetzt im Charakter des vierten Faust-Themas im 7/4-Takt, das, hineingezogen in das „ewige Geheimnis“, hier seine Erfüllung findet, nicht mehr spricht, nur Seligkeit atmet. Aus dem durchlaufenen seelischen Prozeß geht Gretchen unschuldsvoll und rein im Herzen im gleichen holden Liebreiz hervor. Unverändert im Tempo – Andante soave –, auch in der Tonart, in As dur, erklingt wieder das erste, das zweite Gretchenthema wie vor Fausts Erscheinen, nur das Sternblumenorakel fällt weg. Dieser getreuen Wiederholung liegt der Gedanke zu Grunde, daß Gretchen ohne diese bewahrte Seelenreinheit unmöglich der Sühne und seelischen Errettung zum Symbol hätte dienen können. Und doch zeigt sich eine Veränderung! Die Themen tragen nicht mehr den hellen Schimmer eines ersten Maitages; im Wesentlichen sind sie dem Streichchor übergeben und ihr Kolorit reicher und seelischer, aber auch stimmungsbelegter. Nachklänge aus dem Mittelsatz mischen sich sehnsuchtsvoll und zärtlich dazwischen, doch mehr in Herzensdemut und erschauernd in Andacht. So schließt der Gretchen-Satz. Der dritte Satz. – Mephisto ist hier nicht der Schalk, wie Goethe ihn zeichnet. Bei Liszt ist er das Prinzip des Bösen ohne Kappe – das personifizierte offene Prinzip der Zerstörung in der spitzigsten und zerreibendsten Form des Witzes: in der Frechheit der dämonischen Ironie. In der Instrumentalmusik nimmt diese Geistesform zum ersten Mal eine Gestalt an, die nicht als sporadisches Streiflicht einzelne Punkte oder Strecken eines Charakterbildes beleuchtet – nein, die in sich gefestigt, Form gewordene Idee, dieses Charakterbild selbst ist. Sie berührt darum wie die Entdeckung einer bis dahin ungekannten Geistesmine, welche nicht allein Entdeckung ist, sondern auch zugleich alle Mittel und Werkzeuge der Logik in sich trägt, die Schätze dieser Mine an das Licht zu fördern und zu gestalten…“