Ein Volk der Dichter und Denker sind wir Deutschen fürwahr und während unsere Dichter – als Barden – bereits in der Germania des Tacitus bezeugt sind, traten unsere Denker erst sehr viel später auf. Einer der ersten war unser Erasmus von Rotterdam, der 1466 in der besagten niederländischen Stadt geboren wurde. Seine Brötchen verdiente er als Kleriker und seine Schriften widmen sich auch vielfach klerikalen Dingen. Es gibt ungefähr 150 Bücher und 2000 Briefe von unserem Erasmus und so fehlt es uns Panzertieren nicht an Stoff zum vorlesen. Von einem Schiffbruch handelt eine der Plaudereien in den den „Gemeinsamen Gesprächen“ unseres Erasmus: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10576099
„Antonius.
Schreckbares erzählst du da. Das heißt man also eine Schiffahrt? Gott behüte mich, daß mir je so etwas in den Sinn komme.
Adolphus.
Ach, das was ich bis jetzt erzählt habe, ist ja nur ein Spaß im Vergleich zu dem, was du noch zu hören bekommen wirst.
Antonius.
Ich hab‘ schon mehr als genug Unglück gehört. Mich schaudert, wie du da erzählst, als wär‘ ich selber dabei gewesen.
Adolphus.
Für mich heißt’s: Ende gut, alles gut. In jener Nacht trug sich etwas zu, was dem Steuermann ein gut Teil der Hoffnung auf Rettung benahm.
Antonius.
Was denn?
Adolphus.
Die Nacht war ziemlich hell. Zuoberst im Mastbaum stand einer von den Schiffsleuten im sogenannten Mastkorb, der Auslug hielt, ob er irgendwo Land erblicke; dieser nun sah sich zur Seite auf einmal eine feurige Kugel, was den Schiffern als schlimme Vorbedeutung gilt, wenn es als einzelnes Feuer auftritt, als glückliche, wenn es sich um ein Zwillingslicht handelt. Die Alten deuteten dieses als Kastor und Pollux.
Antonius.
Was haben denn diese zwei mit den Schiffern zu tun? war doch der eine ein Reiter, der andere ein Faustkämpfer.
Adolphus. So wollten es nun einmal die Dichter. Der Schiffsmann, der am Steuer saß, sagte: Kamerad – denn so nennen sich gegenseitig die Schiffsleute – siehst du, was für einen Gefährten du zur Seite hast? Ich seh’s, antwortete dieser, und bete, er möge uns glückverheißend sein. Bald darauf senkte sich die feurige Kugel durch die Schiffstaue herab und wälzte sich bis zum Steuermann hin.
Antonius.
Ist der nicht vor Angst leblos geworden?
Adolphus. Die Schiffer sind an dergleichen Wundererscheinungen gewöhnt. Die Kugel blieb dann ein Weilchen dort liegen, fuhr dann weiter an den Rändern des ganzen Schiffes und mitten über das Verdeck hin und verschwand hierauf. Um Mittag begann der Sturm immer stärker zu toben. Hast du je die Alpen gesehen?
Antonius.
Jawohl.
Adolphus.
Nun also: jene Berge sind Warzen im Vergleich zu den Wellen des Meeres. Wurden wir in die Höhe gehoben, so hätte man mit dem Finger den Mond berühren können; ging’s aber in die Tiefe, so hätte man meinen mögen, die Erde tue sich auf und man fahre geradeswegs in die Unterwelt.
Antonius.
Die Toren, die sich dem Meere anvertrauen!
Adolphus.
Als die Schiffer vergebens gegen den Sturm ankämpften, trat der Steuermann ganz bleich zu uns.
Antonius.
Sein bleiches Aussehen bedeutete sicherlich ein großes Unglück?
Adolphus.
Freunde, sagte er, ich bin nicht mehr der Herr meines Fahrzeugs; die Winde sind Sieger geworden; jetzt bleibt nur noch die Hoffnung auf Gott; jeder mag sich auf das Schlimmste gefaßt machen.
Antonius.
Ein böses Wort. Adolphus. In erster Linie aber, fuhr er fort, gilt es, das Schiff zu entlasten; so will’s die harte Notwendigkeit; es ist besser mit Hintanlassung von Hab und Gut für das Leben zu sorgen, als mit ihnen zugleich unterzugehen. – Die Wahrheit dieser Worte überzeugte uns: die meisten Kisten voll kostbaren Guts wurden ins Meer geworfen.
Antonius.
Das nennt man einen schlechten Wurf tun.
Adolphus.
Es war ein Italiener da, der Gesandter beim König von Schottland gewesen war; dieser hatte eine Kiste bei sich voll von Silbergeschirr, Ringen, Tuch und seidenen Kleidern.
Antonius.
Der wollte wohl nicht mit dem Meer paktieren?
Adolphus.
Nein, sondern er wünschte, entweder mit seinen lieben Schätzen unterzugehen, oder mit ihnen gerettet zu werden. Er leistete daher Widerstand.
Antonius.
Was meinte der Schiffsherr dazu?
Adolphus.
Meinetwegen, sagte er, könntet Ihr mit Eurer Habe allein untergehen; aber es wäre unbillig, sollten wir alle wegen Eurer Kiste Gefahr laufen. So wollen wir Euch denn zusammen mit Eurer Habe ins Meer werfen.
Antonius.
Das nennt man eine Schifferrede.
Adolphus.
So mußte denn auch der Italiener auf seine Habe verzichten, wobei er den Überirdischen und Unterirdischen fluchte, daß er sein Leben einem so barbarischen Element anvertraut hatte.
Antonius.
An dem Wort barbarisch erkenn‘ ich den Italiener.
Adolphus.
Bald darauf, da die Winde durch unsere Geschenke sich nicht milder hatten stimmen lassen, rissen die Taue und zerschlissen die Segel. Da trat der Schiffsmann wieder zu uns heran.
Antonius.
Um eine Ansprache zu halten?
Adolphus.
Er begrüßte uns: Freunde, sagte er, die Stunde mahnt, daß ein jeder sich Gott anbefehle und sich auf den Tod vorbereite. Von einigen, die sich auf die Schiffahrt etwas verstanden, befragt, auf wieviel Stunden er glaube das Schiff noch halten zu können, meinte er, er könne nichts versprechen; aber mehr als drei Stunden jedenfalls nicht.
Antonius.
Diese Rede war noch grausamer als die frühere.
Adolphus.
Als er das gesagt hatte, ließ er alle Taue zerhauen und den Mastbaum bis auf das Unterlager, in das er eingefügt ist, durchsägen und samt den Segelstangen ins Meer werfen…“